Gemeinsame Sache
Erfolgreiches Weaning durch interdisziplinäre Zusammenarbeit
„Sie können Ihren Mann zum Sterben nach Hause holen.“ Das waren die Worte, die ein Weaning-Zentrum an Dietmars Frau gerichtet hat. Nach Hause kam er auch, aber nicht zum Sterben.
Dietmar hat zwei Wochen lang im Koma gelegen, nachdem er eine schwere Lungenentzündung und eine Blutvergiftung zur gleichen Zeit hatte. Ein Luftröhrenschnitt wurde notwendig. Das war im September 2021. „Im Hintergrund spielte auch seine angeborene Nervenkrankheit eine Rolle, HMSN Typ 1“, erklärt Elias, Atmungstherapeut beim Fachteam medizinische Behandlungspflege (FmB) der DEUTSCHENFACHPFLEGE. „Durch die Grunderkrankung saß Dietmar schon vor dem Koma im Rollstuhl.“ Der Maschinenbautechniker konnte aber weiterhin zur Arbeit gehen.
Aus dem Koma erwacht war Dietmar noch 42 Tage auf der Intensivstation. „Die haben dort gute Arbeit geleistet und mich quasi über den Berg gebracht“, erinnert er sich. Schließlich wurde er in das besagte Weaning-Zentrum überwiesen und nach drei Monaten holte der Pflegedienst »Balthasar« (Teil der DEUTSCHENFACHPFLEGE) ihn endlich nach Hause.
Eigentlich fängt die Geschichte hier erst richtig an. Sie soll zeigen, wie wichtig Expertise und Zwischenmenschliches, Zusammenarbeit über fachliche und unternehmerische Grenzen hinaus sind. Und was man gemeinsam schaffen kann, wenn alle an einem Strang ziehen.
Dietmars Ist-Stand bei der Rückkehr in die eigenen Wände ist ernüchternd: Bettlägerig, über ein Tracheostoma 24 Stunden durchbeatmet. „Ich kam nicht aus dem Bett“, erinnert er sich selbst.
Aber es ging bergauf. Und dazu hat Dietmar selbst nicht weniger beigetragen als seine Frau, seine Pflegekräfte, Ärzt*innen, Therapeut*innen – und eben auch Elias. Bei ihm laufen in der Zusammenarbeit mit all diesen Menschen die Fäden zusammen: Er ist derjenige, der den Vorbereitungsprozess zur Beatmungsentwöhnung begleitet und gesteuert hat. Beatmungsentwöhnung? Ganz genau. Dietmar hat es geschafft, von seiner Rund-um-die-Uhr-Beatmung bis hin zur Entfernung der Trachealkanüle und Schließung des Stomas zu kommen. Ein Gemeinschaftswerk sondergleichen.
Alles fängt natürlich beim Klienten selbst an. „Dietmar war immer sehr motiviert“, berichtet Elias. „Er ist klar und hat ein gutes Körperempfinden. Außerdem hat er eine eigene Dokumentation seiner Beatmungspausen entwickelt und diese auf sein Blasentraining und den Kanülenwechsel übertragen.“
Dann gibt es da noch Janine, Dietmars Bezugspflegekraft. Das halbe Jahr ihrer Zusammenarbeit war entscheidend für die Entwicklung unseres Protagonisten und es zeigt, wie wichtig die Chemie zwischen zwei Menschen ist – auch in der Pflege. Janine und Dietmar sind vom selben Schlag, das merkt man sofort. „Er ist ein herzlicher Mensch, offen für alles und macht gerne Späße. Aber er ist ebenso ein gestandener Mann und lässt sich die Wurst nicht vom Brot nehmen“, schmunzelt Janine, die im Grunde ganz genauso tickt. „Ich rede nicht um den heißen Brei herum“, sagt sie. „Dietmar braucht jemanden, der ehrlich zu ihm ist, klare Ansagen macht. Er braucht ein straightes Team, das immer das Ziel vor Augen hat. Als wir uns kennengelernt haben, ging ihm alles zu langsam.“ Und weil Janine auch der Typ „nicht lang schnacken“ ist, sind sie es einfach angegangen. Die Ergo- und Physiotherapie kamen regelmäßig, aber Dietmar wurde nicht fitter. „Ich habe mich darum gekümmert, ein Team zu bekommen, das jetzt jeden Tag kommt.“ Dietmars Muskulatur hat sich dadurch schnell aufgebaut: u. a. kann er mit Unterstützung – einem Stehtrainer und ein bis zwei Personen – wieder stehen.
Die Vorbereitung zum Weaning hat Elias eng mit den behandelnden Ärzt*innen abgestimmt. In einem ersten Schritt ist Elias ins Gespräch mit dem Hausarzt gegangen. Die Entscheidung über die Durchführung des Weaning und die Entfernung der Trachealkanüle läuft schließlich über eine*n Lungenfachärzt*in und in Zusammenarbeit mit einem Weaning-Zentrum. In Dietmars Fall ist das Dr. Fleimisch aus Papenburg. Elias lobt die tolle Zusammenarbeit mit dem Fachmediziner. Die Vorbereitung für das Weaning konnte schon mit Begleitung des Atmungstherapeuten Elias stattfinden: „Wir haben die Beatmungsstunden vorsichtig, aber kontinuierlich reduziert – immer in Kombination mit einer Blutgas-Analyse. Dietmars Blutgaswerte sind und waren stets optimal. Seine Lunge hat sich so gut entwickelt, dass wir die Zeiten ohne Beatmung ausweiten konnten. Wir machen das alles sehr langsam über einen langen Zeitraum hinweg.“ Vertrauen sei eine Grundvoraussetzung, so Elias. Und bei Dietmar stimmten die Kriterien von Anfang an, er konnte gut schlucken, das Weaningpotenzial sei also da gewesen. „Er war einfach falsch eingestellt, als wir ihn übernommen haben, durch das Atmungsgerät überbläht. Außerdem musste eine neue Kanüle her“, erklärt der Atmungstherapeut.
So griff ein Zahnrädchen ins andere, Hand in Hand mit vielen Menschen hat Dietmar die Entwöhnung von der Beatmung geschafft. Viel habe er außerdem seiner Frau zu verdanken und der Tatsache, dass er zuhause versorgt werden konnte.
„Ich bin jetzt wesentlich mobiler“, freut sich Dietmar. Ehrgeizig, wie er ist, reicht ihm das aber nicht. Auto fahren möchte er wieder können, denn er hat ein Fahrzeug, das schon vor seiner Intensivpflegebedürftigkeit für ihn als Rollstuhlfahrer umgebaut wurde. Dietmar wird seinen Weg gehen – zusammen mit den Menschen, die an ihn glauben.