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Dianas fast normales Leben

Nicht unterkriegen lassen

Diana Ruether

18 – das war die Prognose für ihre Lebenserwartung. Jetzt ist Diana 50 Jahre alt. 28 Jahre davon arbeitet sie schon als Datenverarbeitungskauffrau für einen Pflegedienst der DEUTSCHENFACHPFLEGE, und das mit Leidenschaft, wie man schnell merkt. Diana hat seit ihrer Geburt Progressive Muskeldystrophie, ist deshalb auf den Rollstuhl und lebenslange Unterstützung angewiesen. Das hindert sie jedoch nicht, ein Leben zu führen, wie es gesunde Menschen auch tun.

Zugegeben, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn Hindernisse im Alltag gibt es reichlich, im wörtlichen und übertragenen Sinn. Und manch ein Stein wird ihr auch unnötigerweise in den Weg gelegt. Da gilt: Niemals den Kopf hängen und vor allem nicht unterkriegen lassen. Das ist zu Dianas Lebenseinstellung geworden. Ihre Eltern haben sie ihr quasi in die Wiege gelegt, um sie auf das Leben mit gesundheitlichen Einschränkungen vorzubereiten. „‘Wenn ihr was erreichen wollt, müsst ihr dafür kämpfen‘, hat mein Vater früher immer zu uns gesagt“, erinnert sich Diana. Denn: Ihre jüngere Schwester hat die gleiche Krankheit – als Diana mit 1,5 Jahren die Diagnose erhielt, war ihre Mutter bereits wieder schwanger.

„Unsere Eltern haben nie ein Geheimnis aus unserer Lebenserwartung gemacht“, berichtet Diana. Ganz im Gegenteil half am Ende nur Galgenhumor: „Mama, eigentlich müsstest du mich jetzt schon seit zwei Jahren von oben gießen“, hat Diana zum Beispiel an ihrem 20. Geburtstag gesagt. Ihre Mutter hat sie und ihre Schwester bis zu ihrem Tod 2019 ohne externe Unterstützung versorgt. „Auch mein Vater hat viel aufgegeben, damit meine Mutter mit all dem nicht alleine war“, sagt Diana. Aber auf diese Weise waren sie und ihre Schwester immer mittendrin im Geschehen und konnten überall mit hingenommen werden. Die große Familie mit vielen Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen vor Ort tragen ihren Teil dazu bei. Hilfe war und ist dadurch nur einen Anruf entfernt.

Diana ist auf eine normale Grundschule gegangen, danach auf eine Körperbehindertenschule und im Anschluss auf die Handelsschule. Nach Abschluss der mittleren Reife hat sie eine Ausbildung zur Datenverarbeitungskauffrau gemacht. „Ich hätte wohl auch mein Fachabi gemacht, aber mir war es immer wichtiger, nicht arbeitslos zu sein.“ Das hat auch wunderbar geklappt, denn nach der Ausbildung – ein paar Bewerbungen, einen Tipp ihrer Tante und einen Anruf später – konnte sie 1996 beim Pflegedienst ZAP anfangen. 2016 wurde er zum Pflegedienst LEA. In all den Jahren war Diana nur 12 Wochen krankgeschrieben – sie arbeitet einfach viel zu gerne. „Ich finde es ganz schlimm, wenn Menschen, die eigentlich arbeiten könnten, nicht arbeiten wollen“, sagt sie. „Wenn ich was erreichen will, dann kann ich das auch. Dann fängt man halt klein an – ich musste mich auch erst beweisen.“ Und so ist sie quasi zur Institution in ihrem Pflegedienst geworden. Eine Uhrguckerin ist Diana weißgott nicht, ihre Kolleg*innen sagen ihr nach, dass sie für den Betrieb lebt. „Ja“, stimmt sie ihnen zu, „ich habe das ja alles mit aufgebaut. Es macht Spaß, hier zu arbeiten!“ Wenn sie mal einen schlechten Tag hat, ist die Arbeit ihr Lichtblick.

Privat ist Diana ein Familienmensch, besucht ihre zahlreichen Onkel und Tanten, setzt sich aber auch viel in die Sonne zum Lesen. „Ich gehe außerdem gerne shoppen, aber das will gut geplant sein, weil ich dazu Unterstützung brauche“, erklärt sie. Seit ihre Mutter nicht mehr lebt, unterstützen Pflegeassistent*innen sie und ihre Schwester im Alltag. Sie wohnen weiterhin gemeinsam mit dem Vater im Elternhaus. „Meine Schwester und ich sind wie ein altes Ehepaar. Wir ziehen uns auch gegenseitig wieder hoch, wenn es mal nicht läuft“, erzählt Diana. Solche Tage gab es leider einige im Leben der beiden.

Eine besonders große Hürde war der Führerschein, der ihr und ihrer Schwester lange Zeit grundlos verwehrt wurde. Viele Jahre zogen sich die Auseinandersetzungen mit den Behörden. Diana hat in dieser Zeit einiges an diskriminierendem Verhalten ertragen. „Wir mussten sogar zur MPU, den sogenannten „Idiotentest absolvieren, und zum Gespräch mit einer Psychologin, bevor wir zur Prüfung zugelassen wurden!“, berichtet sie ungläubig. „Ich sitze im Rollstuhl, ich habe es nicht am Kopf.“ Dennoch: Im Gegensatz zu gesunden Menschen mussten Diana und ihre Schwester erst die Theorie erfolgreich abschließen, bevor sie mit den Fahrstunden beginnen konnten. Beide haben selbstverständlich direkt bestanden und nach langem Hin und Her ihren Führerschein erhalten.

Jetzt ist Diana stolze Besitzerin eines eigens für sie umgebauten Fahrzeuges, das ihr die Mobilität ermöglicht, die sie sich lange gewünscht hat. Jeden Tag fährt sie mit diesem Auto zur Arbeit. Trotzdem ist Dianas Umgebung meist wenig behindertengerecht. Im Restaurant reserviert sie grundsätzlich für eine Person mehr und Fahrstühle sind häufig nicht so konzipiert, dass Rollstuhlfahrer*innen problemlos an die Knöpfe gelangen oder sich gar im Aufzug drehen können. Da braucht es dann Hilfsmittel und Anpassungsfähigkeit. „Ich bin schon mal mit meinem Po die Treppe heruntergerutscht, weil ein Fahrstuhl ausgefallen war“, blickt sie zurück.

Ja, Diana lässt sich nicht unterkriegen: „Ich lebe das Leben, wie es kommt.“