Von bunten Haaren und Motorradtreffen
Pflegealltag in Lederkutte
Elisabeth wohnt seit 2020 in einer Intensivpflege-WG der DEUTSCHENFACHPFLEGE. Ihr Leben hat sich 2018 durch einen Sturz massiv verändert, denn seitdem ist sie querschnittgelähmt. Mit dem Corona-Lockdown folgte eine schwierige Zeit. Aber Lissy, wie sie liebevoll in der WG genannt wird, wäre nicht Lissy, wenn sie sich dadurch hätte unterkriegen lassen.
Unsere Protagonistin ist Familienmensch durch und durch. Ihre zwei Söhne sind acht und elf Jahre alt. Da war es ein herber Schlag, dass neben ihrer plötzlichen Intensivpflegebedürftigkeit und dem Umzug in eine Pflege-WG im Corona-Lockdown auch noch Kontaktverbot ausgerufen wurde. „Ich musste erstmal selber mit der neuen Situation klarkommen, das ist jetzt ein anderes Leben. Ich war sehr, sehr unglücklich“, berichtet sie.
Aber: Natürlich war Lissy in dieser Zeit nicht allein. Sie und das WG-Team sind zu einer verschworenen Gemeinschaft geworden, es wird viel gescherzt und gelacht. Pflegerin Susanne und WG-Leitung Ulrike haben nach Elisabeths Einzug schnell gemerkt, dass die 45-jährige Bewohnerin ganz andere Bedürfnisse und Wünsche hat als viele andere Klient*innen – sie ist jünger als der Durchschnitt und bringt eine bunte Persönlichkeit mit. Bunt ist hier im Übrigen das richtige Stichwort: Farbe ist auch ein Muss für ihr Äußeres. Make-Up auftragen, Fingernägel lackieren oder Haare färben (blau oder pink gefällig?) gehören mit Lissy einfach zum Pflegealltag dazu. Mit ihren Interessen hält sie das Pflegeteam stets auf Trab, mit Kino zum Beispiel oder Motorradtreffen in der Region. „Dahin geht es dann natürlich immer in Lederkutte“, erzählt Susanne.
All das war nach dem Lockdown wieder möglich – das Wichtigste dabei war aber, dass Lissy diese Dinge wieder gemeinsam mit ihren Liebsten erleben konnte, Ehemann, Kindern und Freund*innen. Wie grundlegend zwischenmenschliche Bindungen für sie sind, erläutert Susanne: „Lissy hat ganz engen Kontakt zu ihrer Mutter und zu ihrem Bruder, ihre Kinder sind ihr superwichtig.“ Ihr Mann aber genauso, ruft Lissy dazwischen.
Und jetzt ist es soweit: Lissy kann endlich wieder nach Hause zu ihrer Familie ziehen. „Meine gesundheitliche Verbesserung war ein schleichender Prozess“, sagt sie. Das bedeutet, dass jeder Fortschritt ein eigener, kleiner Erfolg war, für den sie hart kämpfen musste. Er stand also nicht plötzlich vor der Tür. „Lissy hat immer ehrlich gekämpft“, stellt Susanne fest. Und Lissy fügt hinzu: „Das hat sich gelohnt.“
Der Übergang zur 1:1-Versorgung in den eigenen vier Wänden war keine schwierige Entscheidung, sondern ganz im Gegenteil immer das Ziel. Während sie in der Pflege-WG wohnte, wurde viel Zeit und Mühe in ein behindertengerechtes Zuhause gesteckt: Das Haus wurde dafür abgerissen und komplett neu gebaut.
Lissy blickt zurück auf die Zeit in der WG: „Mir hat hier nichts gefehlt – außer die Familie.“ Und die wird jetzt ein Stückchen größer, denn einige der WG-Pflegekräfte werden Lissy in die 1:1-Versorgung begleiten. „Der Wunsch kam von Elisabeth und auch von den Mitarbeiter*innen, die dann gesagt haben: ‚Wir gehen gerne mit‘“, erklärt Ulrike. „Wir anderen werden Lissy auf jeden Fall vermissen.“