Die pflegerischen Maßnahmen sind durch die unterschiedlichen Symptome und den fortschreitenden Krankheitsverlauf vielfältig. Zu Beginn der Krankheit ALS versorgen sich die Betroffenen noch selbst, doch je weiter sie voranschreitet, desto mehr Unterstützung benötigen sie. Sie erhalten diese durch pflegende Angehörige, einen ambulanten Pflegedienst, andere ambulante Angebote oder in einer stationären Einrichtungen. Tracheotomierte Betroffene benötigen Unterstützung der außerklinischen Intensivpflege, die sowohl ambulant zu Hause, in einer Beatmungs–WG oder einer stationären Einrichtung durchgeführt werden kann. Ein zentraler Bereich, der sich auf nahezu alle Stadien bezieht, ist die Grundpflege. Da die Feinmotorik und Bewegungen der Arme und Beine meist zuerst eingeschränkt sind, benötigen Betroffene hierbei Unterstützung. Dazu zählen neben Duschen oder Baden:
- Zahnpflege
- Ankleiden
- Haarpflege
- Rasur
Auch bei der Mobilisation unterstützen die Pflegekräfte, indem sie Hilfestellung geben oder im weiteren Verlauf die Positionswechsel und Mobilisierungen übernehmen. Bei der amyotrophen Lateralsklerose spielt sie eine wichtige Rolle, da die Sensibilität erhalten bleibt und das lange Liegen oder Sitzen in einer Position schmerzhaft werden, sich für die Betroffenen unangenehm anfühlen oder zu einem Dekubitus führen kann.
Zu den grundpflegerischen Tätigkeiten gehört es auch, die Nahrungsmittel so vorzubereiten, dass sich Betroffene möglichst nicht verschlucken können und an das regelmäßige Husten und Nachschlucken zu erinnern. Die Schließmuskeln sind bei den meisten Erkrankten nicht betroffen, weshalb die Pflege bei Inkontinenz eine untergeordnete Rolle spielt. Die Pflegekräfte oder pflegende Angehörige unterstützen sie bei Toilettengängen oder bieten, wenn die Bewegungsfähigkeit bereits zu stark eingeschränkt ist, Hilfsmittel wie Steckbecken oder Urinflasche an.
Obwohl ihnen das Sprechen durch die neurologische Erkrankung immer schwerer fällt und später gar nicht mehr möglich ist, können sie sich ihrer Umgebung auf anderen Wegen mitteilen. Da die Augenmuskulatur in den meisten Fällen nicht von der fortschreitenden Lähmung betroffen ist, wird gerne per Augencode kommuniziert. Am einfachsten ist es, Ja/Nein-Fragen zu stellen, auf die der Pflegebedürftige mit Zwinkern reagiert. Zudem gibt es spezielle Computer, mit welchen man per Augencode schreiben, einen Notruf auslösen oder andere Befehle steuern kann. Diese Technologie ist noch nicht gänzlich ausgereift, weshalb Geduld, Verständnis und Einfühlungsvermögen bei der Pflege von Klienten und Patienten mit ALS eine große Rolle spielen.
Weiter sind Prophylaxen wichtig, um zusätzliche Erscheinungen wie Thrombose, Lungenentzündung, Kontrakturen oder Wundliegen (Dekubitus) zu vermeiden. Die Pflege wird immer zeitintensiver, da die motorischen Fähigkeiten abnehmen. Deshalb stellt die Beantragung eines Pflegegrads eine finanzielle Entlastung für die Familie dar. In den ersten Stadien der neurodegenerativen Erkrankung kann die Pflege durch Angehörige übernommen werden oder ein ambulanter Krankenpflegedienst engagiert werden. Möglich ist auch die Unterbringung in einer stationären Einrichtung, wobei darauf geachtet werden sollte, dass die Beatmungspflege angeboten wird.
Heimbeatmung bei der amyotrophen Lateralsklerose
Einen zentralen Teil der Pflege nimmt im späteren Krankheitsverlauf die Beatmung ein. Die meisten erkrankten Menschen benötigen zuerst die unterstützende nicht-invasive Beatmung (NIV oder NIB). Der Atemimpuls wird durch den Betroffenen ausgelöst und die Beatmungsmaschine sorgt mit Druck dafür, dass mit geringen Anstrengungen die benötigte Menge Luft und Sauerstoff eingeatmet werden können. Dafür sind Masken notwendig, die über Nase bzw. über Nase und Mund reichen.
Später bekommen viele ein Tracheostoma mit einer Trachealkanüle. Hierüber kann die invasive Beatmung durchgeführt werden. Sie wird nötig, wenn die Atemkraft nicht mehr ausreicht, um einen Atemzug zu triggern. Die Maschine übernimmt somit die gesamte Atemleistung. Die Trachealkanüle sitzt unterhalb des Kehlkopfs und stellt eine direkte Verbindung zwischen außen und der Luftröhre dar.
Pflegefachkräfte übernehmen in der Beatmungspflege die Pflege des Tracheostomas, die Überwachung der Beatmungsparameter, das Notfallmanagement und hygienische Tätigkeiten. Hygiene spielt eine wichtige Rolle, da die künstliche Beatmung ein Risikofaktor für eine Lungenentzündung darstellt und die unhygienische Arbeitsweise dieses Risiko verstärken würde.
Für chronisch Erkrankte ist eine Pneumonie eine der häufigsten Todesursachen. Die Kanüle wird nach Herstellerangaben alle 14-21 Tage gewechselt. Die Beatmungsschläuche nach Herstellerangaben etwa einmal wöchentlich. Zudem erfolgt je nach Bedarf über den Tag verteilt die Versorgung des Stomas, da hier Sekret austreten kann. Die behandelnde Ärzteschaft legt unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Situation und des körperlichen Zustands die Beatmungsparameter fest. Die korrekte Einstellung ist wichtig, damit der Sauerstoffaustausch und die -versorgung optimal sind. Die Pflegefachkräfte kontrollieren in regelmäßigen Abständen, ob die verordneten Parameter korrekt eingestellt sind. Da die Kraft zum Abhusten des Sekrets fehlt, muss dieses durch Absaugkatheter maschinell entfernt werden. Dazu verwendet das Pflegeteam sterile Absaugkatheter und sterile Handschuhe, um potentielle Keime nicht direkt in die Lunge zu bringen.
Die Heimbeatmung findet im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege entweder ambulant in den eigenen vier Wänden, in ambulanten Beatmungs-WGs oder stationären Wohnheimen für Beatmung statt. Welche Form am besten geeignet ist, kommt auf die Wohnsituation und die Vorlieben des Erkrankten an. Zudem spielt es eine Rolle, ob Familienangehörige bei der Pflege unterstützen möchten und können.