Der netteste Klient Berlins
Christian ist ein absoluter Sympathieträger. Gute Laune ist vorprogrammiert, wenn man ihm begegnet – sogar über Videocall ist sein Lächeln ansteckend, da können wir aus Erfahrung sprechen. Und das alles ohne Worte, denn Christian ist an Muskeldystrophie Typ Duchenne erkrankt und kann mittlerweile nicht mehr sprechen. Über ein Tablet mit Sprachfunktion kommuniziert er mit uns. Auch Sandra ist bei unserem Gespräch dabei. Sie ist Pflegedienstleitung und hatte sogar mal einen eigenen kleinen Pflegedienst. Der Liebe zuliebe (kleiner Zungenbrecher) hat sie ihn aufgegeben, um nach Berlin zu ziehen. Zunächst hat sie im FmB der DEUTSCHENFACHPFLEGE gearbeitet – wollte aber wieder näher an den Menschen sein, die Unterstützung benötigen. So ist sie vor einem Jahr in die bipG-WG für Intensivpflege nach Berlin-Pankow gekommen. „Ich fühle mich richtig wohl hier und habe gemerkt, dass ein größerer Verbund auch seine Vorteile hat“, sagt sie.
Christian lebt in der WG seit 2023, zusammen mit zwei weiteren Bewohnern in seinem Alter. Eine kleine, eingeschworene Gemeinschaft. Für unseren Protagonisten war der Umzug hier hin das Beste, was ihm passieren konnte, denn zuvor hatte er vier Jahre lang in einem Pflegeheim für Senior*innen gewohnt. Keine angemessene Umgebung für einen jungen Mann wie Christian.
Er berichtet uns, dass er seit dem Grundschulalter von seiner Krankheit weiß. Seit Ende 2016 ist er auf Pflege angewiesen. Bis zu seiner Jugend konnte er normal leben, wurde dann immer unsicherer beim Gehen. Die Krankheit, an der Christian leidet, führt zu einer voranschreitenden Muskelschwäche. Deshalb kann er mittlerweile überhaupt nicht mehr gehen und sprechen. Als er in die WG kam, wurde er noch nicht-invasiv über eine Maske beatmet. Gemeinsam mit einem Facharzt wurde dann die Entscheidung getroffen, dass er eine Trachealkanüle bekommen sollte. „Durch den Umstieg auf die invasive Beatmungsform hat sich seine Lebensqualität gesteigert“, erklärt Sandra.
Jetzt wollen wir aber mal wissen, wie denn Christians Alltag in der Wohngemeinschaft aussieht. Er tippt in sein Tablet und wir warten geduldig. „Ich werde jeden Tag mobilisiert, erhalte Therapien und Besuch. Und manchmal sind wir gemeinsam in der Wohnküche“, berichtet er. Damit meint er seine zwei Mitbewohner. Sandra ergänzt: „Christian ist viel online unterwegs und schaut auch gerne fernsehen. Außerdem spricht er fließend Polnisch, weil seine Eltern aus Polen kommen. Er schaut also auch polnische Fernsehsendungen oder hört polnisches Radio.“ Pflegekraft Alexander, Sandras Kollege, spricht die Sprache ebenfalls – das verbindet natürlich.
„Ich fühle mich sehr gut hier und hätte es nicht besser treffen können“, betont Christian. Sandra rührt das sehr: „Du weißt, dass du gleich geknutscht wirst“, lacht sie. Sie habe sich von Anfang an gut mit Christian verstanden. Grundsätzlich sei er einfach ein lieber Kerl und sehr beliebt bei allen Kolleg*innen. „Christian ist der netteste Klient Berlins“, schwärmt sie. „Er ist ein unwahrscheinlicher Empath: Christian weiß genau, wie er sein Gegenüber nehmen muss.
Er ist total tolerant allen gegenüber und nörgelt nie. Ja, sachliche Kritik übt er manchmal, aber das kommt selten vor. Er ist einfach damit zufrieden, dass man lieb zu ihm ist.“ Sandra erklärt, dass es einfach sei, eine Ebene zu ihm herzustellen, weil er ein so netter Mensch sei. „Ich finde es richtig toll, dass er Bock hat zu leben. Christian hat einen tollen Familienverbund, der sich um ihn kümmert. Ich kenne ihn übrigens gar nicht wütend“, bemerkt die Pflegerin. „Eigentlich gibt es ja immer etwas rumzumeckern – aber an Christian nicht. Selbst wenn ich schlechtgelaunt zur Arbeit komme, geht es mir gleich besser, wenn er mich anlächelt.“