Wenn zwei sich finden
Romantisches aus der Intensivpflege-WG
Marian hat eine unklare Motoneuronerkrankung, schon seit 18 Jahren. Sie fing harmlos bei seinem Unterarm an, seit vier Jahren hat sich sein Zustand zusehends verschlechtert. Mittlerweile kann er nicht mehr laufen. Die Motoneuronerkrankung ist eine Erkrankung des motorischen Nervensystems, die zu voranschreitender Muskelschwäche, -verschmächtigung, -zuckungen oder auch -steifigkeit führt. Auf der Intensivstation wurde ihm der Einzug in eine Pflege-WG empfohlen.
Eigentlich sollte die Intensivpflege-WG »Haus Benedikt« in Mössingen eine Übergangslösung für Marian sein. Im Oktober eingezogen sollte es zügig in eine WG gehen, die näher an seinem Heimatort und damit an seiner Familie liegt. Sollte, sollte. Tja, wie wollen wir es nennen? Schicksal? Das Schicksal hatte dann aber andere Pläne mit unserem Protagonisten.
„Mein Bruder hat sich die WG angeschaut, in die ich ziehen wollte. Die ist aber bei Weitem nicht so schön wie die, in der ich jetzt wohne“, erzählt Marian. (Aufgepasst, an dieser Stelle wird es romantisch!) Und dann kommt da noch der eigentlich ausschlaggebende Punkt ins Spiel: Hasnija.
Hasnija hat ALS. Zur Zeit der Diagnose vor dreieinhalb Jahren ging es ihr noch gut, aber mittlerweile kann sie schon nicht mehr sprechen. Stattdessen kommuniziert sie über ein Tablet. Irgendwann wollte sie zuhause niemandem mehr zur Last fallen, berichtet sie. So zog sie im Januar in das »Haus Benedikt«.
Und hier ist sie schließlich Marian begegnet. Was sollen wir sagen? Seitdem sind sie unzertrennlich. Noch mehr Schicksal gefällig? Die beiden haben am gleichen Tag Geburtstag.
„Hasnija ist ein ganz lieber Mensch“, schwärmt Marian. „Die beiden verbringen sehr viel Zeit zusammen“, berichtet Pflegedienstleitung Kerstin. „Man trifft sie meist im Aufenthaltsraum. Sie trinken Kaffee, schauen Fernsehen, nehmen alle Mahlzeiten gemeinsam ein.“ Und zum Schrecken der Belegschaft hat das Paar ein Faible für Horrorfilme – abends kann es also auch mal gruselig werden im »Haus Benedikt«.
Die beiden fühlen sich sehr wohl in der WG. Marians Pläne, in die Nähe seiner Familie zu ziehen, sind längst vergessen. Ja, Hasnija hatte am Anfang ein paar Schwierigkeiten. „Ich habe mir einfach nicht vorstellen können, dass ich Pflege brauche“, gesteht sie. Sicherlich hat Marian einen großen Teil dazu beigetragen, dass Hasnija mittlerweile von innen heraus regelrecht strahlt. Man sieht ihr an, wie glücklich sie ist. Marian: „Man muss die Krankheit akzeptieren und das ist ein schwieriger Prozess.“
Hasnija bekommt viel Besuch, ist also ganz schön gefragt. Umso schöner, dass sie den Rest Ihres Alltags mit Marian verbringt. Weil Hasnija nicht mehr sprechen kann, verstehen sich die zwei schon fast ohne Worte. „Wenn sie schlecht drauf ist, dann merke ich das sofort. Es gibt halt solche und solche Tage“, so Marian.
Und, gibt es Pläne für die Zukunft? „Im Sommer wollen wir Eis essen gehen und ins Kino“, sind sie sich einig. „Das ist Liebe“, seufzt Marian. Hasija nimmt seine Hand und beide strahlen sich an.